Design Talk mit Regie­rungsrat Chris­toph Ammann

An der Preis­ver­lei­hung vom Design Preis Schweiz spra­chen wir mit dem Berner Regie­rungsrat Chris­toph Amman über aktu­elle Themen wie Kreis­lauf­wirt­schaft, Krea­ti­vität und Zukunfts­ent­wick­lung.

Herr Regie­rungsrat Ammann, welche Themen beschäf­tigen Sie derzeit beson­ders und was sind die High­lights?

Was mich wirk­lich beschäf­tigt, kann ich leider nicht mit dem Wort «High­light» in Verbin­dung bringen: es sind geopo­li­ti­sche Entwick­lungen wie der Krieg in der Ukraine oder die von der Hamas ausge­löste Gewalt­orgie im Nahen Osten. Dies erschüt­tert mich tief – auch weil man sich so ohnmächtig fühlt ange­sichts dieser Ereig­nisse.

Dies rela­ti­viert unsere tages­po­li­ti­schen Probleme stark. Aber ja, auch das gibt es: die Ener­gie­ver­sor­gung in der Schweiz, die eher düstere wirt­schaft­liche Entwick­lung in der Indus­trie, ein biss­chen land­wirt­schafts­po­li­ti­sches Gezerre um Stand­orte oder den Wolf im Ober­land.

Und gleich­zeitig haben wir wich­tige Meilen­steine erreicht: in der Inter­es­sen­ab­wä­gung für neue Solar­kraft­werke, in der Weiter­ent­wick­lung des Medi­zi­nal­stand­orts Bern oder bei der Erneue­rung und Digi­ta­li­sie­rung unserer Förder­pro­gramme bis hin zur Inte­gra­tion neuer Krite­rien der Nach­hal­tig­keit und der Kreis­lauf­wirt­schaft.

Sie haben 2021 zuletzt mit Design Preis Schweiz gespro­chen. Was hat sich in dieser Zeit getan in Sachen Kreis­lauf­wirt­schaft schweiz­weit und im Kanton Bern?

Es läuft sehr viel. Wir haben dazu beigetragen, dass wir schweiz­weit und auch im Kanton Bern zum ersten Mal eine verläss­liche Zahlen- und Daten­grund­lage haben (zusammen mit BFH und ETH/KOF). Wir bringen mehrere Kantone zusammen, wenn es um neue Platt­formen für die Kreis­lauf­wirt­schaft geht – die Anträge an den Bund zum neuen Umset­zungs­pro­gramm der Neuen Regio­nal­po­litik 2024–2027 sind gestellt.

Und wir sehen eine inter­es­sante Entwick­lung: Das Thema «Kreis­lauf­wirt­schaft» ist einer­seits bei vielen Akteu­rinnen und Akteuren ange­kommen, wenn es um Events und Anlässe, um Diskus­si­ons­foren und Work­shops oder um poli­ti­sche Mani­feste im Zusam­men­hang mit den Sustaina­bi­lity Deve­lo­p­ment Goals der UNO geht. Ande­rer­seits nützen all diese Gefässe und Aktionen einem einzelnen Unter­nehmen in seinen konkreten Frage­stel­lungen und Heraus­for­de­rungen ziem­lich wenig. Hier braucht es neue Gefässe, neue Platt­formen, neue Coaching-Ange­bote. Der Kanton Bern ist da vorne mit dabei.

Gibt es ein aktu­elles Projekt aus Ihrem Kanton, das Sie beson­ders beein­druckt?

Wenn ich jetzt einzelne tolle Firmen nenne, die voran­gehen, dann werde ich von jenen kriti­siert, die ich nicht nenne. Lesen Sie den Lage­be­richt des Kantons Bern, darin finden sich Dutzende guter Beispiele von fort­schritt­li­chen Unter­nehmen, die sich dem Thema bereits länger verschrieben haben.

Es freut mich als Wirtschafts‑, Energie- und Umwelt­di­rektor zu sehen, dass gewisse Unter­nehmen im Kanton Bern bei lösungs­mit­tel­freiem Druck im Verlags­wesen, beim Recy­cling von Kühl­ag­gre­gaten, bei der Auftren­nung von Batte­rien und Rück­ge­win­nung der einzelnen Rohstoffe, oder bei der Plastik- und Alumi­ni­um­ver­ar­bei­tung die Nase weit vorne haben.

Eines der fünf Ziele von Enga­ge­ment 2030, den Richt­li­nien für die Legis­la­tur­pe­riode 2023–2026 des Kanton Berns, ist es, Rahmen­be­din­gungen für eine wirkungs­volle nach­hal­tige Entwick­lung zu schaffen. Sehen Sie hier bereits erste (Zwischen-)Ergebnisse?

Ich habe die neuen Daten­grund­lagen und die Arbeiten an konkreten Lösungs­platt­formen für Unter­nehmen bereits erwähnt. Es freut mich auch, dass wir neue Studi­en­gänge und Bildungs­for­mate in diesen Berei­chen an unseren Hoch­schulen sehen (die nota­bene sehr erfolg­reich besucht werden). In der Stand­ort­för­de­rung haben wir inzwi­schen viele Projekte, die sich mit der Wieder­ver­wen­dung von Mate­ria­lien oder mit geschlos­senen Ener­gie­kreis­läufen beschäf­tigen. Wir sehen auch eine Zunahme bei Indus­trie­ver­bünden, die Energie- und Mate­ri­al­kreis­läufe gemeinsam anschauen (entspre­chende Pilot­pro­jekte in Lyss und Burg­dorf haben wir bereits unter­stützt).

Projekte im Bereich Circular Economy sind komplex und kosten­in­tensiv. Es braucht also einer­seits Geld, insbe­son­dere auch von der öffent­li­chen Hand, und ande­rer­seits Inno­va­tionen sowie Visionen. Wie schätzen Sie hier das Gleich­ge­wicht ein?

Ich denke, dass wir erst am Anfang dessen stehen, was auf uns und die Unter­nehmen zukommt. So gesehen sind die ersten «Pflänz­chen», die wir sehen, wichtig und ziel­füh­rend. Aber ange­sichts der Heraus­for­de­rungen im Bereich der Verfüg­bar­keit von Mate­ria­lien oder bei der Ener­gie­ver­sor­gung (sowohl Verfüg­bar­keit als auch Preis) stehen wir sicher­lich erst am Anfang. Die grossen Visionen sind dabei wichtig. Vor allem in den Gesprä­chen mit den Unter­nehmen stelle ich jedoch fest, dass deren Heraus­for­de­rungen ganz hand­fester Natur sind. Grosse poli­ti­sche Visionen helfen da meist nicht weiter, sondern eben ganz konkrete Unter­stüt­zung. Manchmal mit Geld, zukünftig wohl noch viel stärker mit Wissen.

Welchen Stel­len­wert hat die Unter­stüt­zung des Design Preis Schweiz für den Kanton Bern und wie sehen Sie die Rolle des Vereins für den Wirt­schafts­standort Schweiz?

Wir sind Partner der «ersten Stunde» und haben dem Design Preis Schweiz auch in schwie­rigen Zeiten (Umstruk­tu­rie­rung, Neuaus­rich­tung) stets die Treue gehalten. Wir sind der grösste Indus­trie­kanton der Schweiz, da passt Design im weiteren Sinne sehr gut zu uns. Inno­va­tion und Erneue­rung haben viel mit Design und Krea­ti­vität zu tun. Ich hebe aber immer auch ein biss­chen den Mahn­finger: Gerade weil es so wichtig ist, kann man nicht allzu viel der öffent­li­chen Hand über­lassen. Design, Krea­ti­vität und Zukunfts­ent­wick­lung muss sich letzt­lich auch immer am Markt bewähren und ist damit auch eine zentrale Wirt­schaft der Unter­nehmen selbst.

Eine weitere Kate­gorie des Design Preis Schweiz ist Inclu­sive Design, ein neben Circular Economy ähnlich wach­sender Bereich. Sehen Sie das auch in ihrer Arbeit?

Inklu­sives Design ist ja bekannt­lich ein Design­pro­zess, bei dem ein Produkt, eine Dienst­leis­tung oder eine Umge­bung so gestaltet wird, dass sie für möglichst viele Menschen nutzbar ist, insbe­son­dere auch für Gruppen, die tradi­tio­nell davon ausge­schlossen sind.

Spontan kommen mir die digi­talen Dienst­leis­tungen der Kantons­ver­wal­tung in den Sinn – wir haben uns ja für das «digi­tale Primat» entschieden. Dabei mag es seltsam klingen, aber wir sind aktuell nicht einmal in der Lage, Doku­mente rechts­gültig digital zu visieren. Immerhin habe ich für meine Regie­rungs­sit­zungen inzwi­schen alles auf einem iPad zusammen. Früher trug ich pro Sitzung zwei dicke Bundes­ordner Papier mit mir herum.

Wir sollten dabei etwas nicht vergessen: Wer auf neueste Tech­no­lo­gien (iPhone, papier­loses Büro, digi­tale Prozesse etc.) setzt, kappt unter Umständen die Bezie­hung zu anderen (älteren) Gene­ra­tionen. Nicht alle Menschen können problemlos mit dem Computer oder mit dem iPhone umgehen – übri­gens auch in der Kantons­ver­wal­tung oder auf Regie­rungs­ebene nicht. Und wir sind für alle Bürge­rinnen und Bürger im Kanton und in der Schweiz da.

So gesehen kommt «inklu­sivem Design» eine wich­tige Bedeu­tung zu, die wohl noch zunimmt.