Stadler EC250 Giruno
Die Gestaltung eines neuen Zuges ist eine enorm komplexe, durch zahllose technische, wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Vorgaben geprägte Aufgabe. Bei einem Zug, der in mehreren Ländern mit voneinander abweichenden Vorschriften und Normen verkehren soll, kann alleine die Ausschreibung mehr als 3000 Anforderungspunkte umfassen. So war es beim neuen Hochgeschwindigkeitszug Giruno, den die SBB nach einem Vergabeverfahren bei der Stadler Rail AG mit Nose als Designpartner in Auftrag gaben. Er wird 2019 den Betrieb aufnehmen und die Verbindung Deutschland–Schweiz–Italien via Gotthard-Basistunnel bedienen. Bei der Gestaltung von Giruno wurde – analog dem SBB-Motto «Unterwegs zu Hause» – der Schwerpunkt auf Komfort, Eleganz und Kundenfreundlichkeit gelegt – insbesondere für Familien, Senioren und Personen mit eingeschränkter Mobilität. Der Forderung nach Barrierefreiheit wird dabei auf allen Ebenen entsprochen. So ist der Zug – als erster seiner Art – mit einem für zwei Bahnsteighöhen geeigneten Niederflureinstieg ausgestattet, der Ein- und Ausstieg erheblich erleichtert. Die Verkehrsflächen im Innenraum sind so dimensioniert, dass der Speisewagen im Rollstuhl problemlos erreichbar ist. Rollstuhlplätze verfügen zudem über spezielle Klapptische. Bei der Sitzplatznummerierung gibt es eine Version in Brailleschrift, und selbst der Einwurf der Abfallbehälter ist auffällig tief angeordnet.
Kommentar der Nominatoren
Eine überzeugend gelungene Zuggestaltung, die die Forderung nach Barrierefreiheit konsequent beherzigt und auf innovative Weise umsetzt. Der für verschiedene Bahnsteighöhen geeignete Niederflureinstieg ist bisher einmalig bei Hochgeschwindigkeitszügen. Das ebenso dumme wie alte Vorurteil, dass Barrierefreiheit auf Kosten der gestalterischen Qualität gehen würde, ist durch den Giruno eindrücklich widerlegt.
Kommentar der Jury
Gutes Design bedeutet Problemlösung – das Projekt Giruno taugt geradezu als Schulbeispiel für diesen alten, leider oft missachteten Grundsatz der Gestaltung. Die Überzeugungkraft der für diesen Zug vorgeschlagenen Lösungen beruht nicht zuletzt auf einem vorbildlichen, klug konzipierten Entwicklungsprozess. In seinem Verlauf haben alle Beteiligten – Nose, Stadler, SBB, Zugspersonal, diverse Kundengruppen – ein 40 m langes 1:1 Mockup des Zuges mit Gepäck, Fahrrädern und Rollstühlen wieder und wieder getestet und mit gebündelter Kompetenz zum Gelingen des Projektes beigetragen.Es ist schon eine beeindruckende Leistung für sich, innerhalb einer kurzer Zeitspanne eine derart mit Anforderungen aller Art überfrachtete Designaufgabe zu erfüllen, ohne dabei zentrale Zielsetzungen, wie die der Barrierefreiheit aus den Augen zu verlieren. Die Art und Weise aber, in der das beim Giruno gelungen ist, macht den neuen Hochgeschwindigkeitszug – sowohl in funktionaler, als auch in ästhetischer Hinsicht – zu einem Referenzprojekt in Sachen barrierefreies Design.
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